Am nächsten Morgen wachte Mariechen recht früh auf. Sie war hellwach und voller Tatendrang. Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie, dass die Sonne noch gar nicht aufgegangen war. Sie zog sich ein luftiges Blümchenkleid an und macht sich auf den Weg zum Sonnendeck. Die anderen schienen alle noch zu schlafen. Niemand war unterwegs. Die Luft war herrlich klar und frisch. Sie lief ans Heck des Schiffes, denn laut ihrer Routenkarte fuhren sie Richtung Westen, so dass man den Sonnenaufgang am besten vom hinteren Teil des Schiffes sehen konnte. Die Sternebar war frisch geputzt und wirkte so früh am Morgen ganz anders als noch gestern abend. Kaum hatte sie es sich in einem der Stühle bequem gemacht, blinzelte auch schon der ersten Sonnenstrahl über den Horizont. Mariechen liebte dieses Naturschauspiel, wenn die Erde erwacht. Während der Himmel über ihr noch dunkelblau war, färbte sich der Horizont jetzt in den schönsten Gold- und Orangetönen. Die paar Wölkchen am Himmel waren zart rosa und auch das Meer färbte sich fliederfarben. Es war eine Explosion von Farben. Immer höher stieg der helle Ball. Mariechen schloss kurz die Augen, um die Wärme zu spüren, die sich in ihrem Gesicht breit machte.
Doch sie öffnete sie gleich wieder. Sie wollte keine Sekunde dieses Schauspiels verpassen. Das Meer begann zu glitzern und auf den Wellen tanzten vergnügt gelbe Schaumkrönchen. Die Sonne weckte auch die Meeresbewohner. In ihren Strahlen sprangen Delphine aus dem Wasser und begrüßten den Morgen mit einem Gesang. Der Wal, der das Schiff zog, antwortete ihnen fröhlich. Ein paar Möwen zogen ihre Kreise und tauchten dann im Sturzflug ins Meer, um sich ihr Frühstück zu fangen. Mariechen schaute ihrem Treiben eine Weile zu. Dann hielt sie plötzlich inne. Wo kamen die Möwen denn her? Sie konnten ja auf dem offenen Meer gar nicht leben. Das konnte nur bedeuten, dass sie sich dem ersten Hafen näherten.
Aufgeregt rannte Mariechen nach vorne zum Bug des Schiffes. Tatsächlich! In einiger Entfernung konnte sie Land sehen. Sie fuhren parallel zur Küste. Mariechen versuchte etwas zu erkennen, aber sie waren noch zu weit entfernt. „Warum versuchst du ́s nicht mal hiermit?“ Verwundert drehte sich Mariechen um. Auf der Reling saß ein Möwen-Männchen und betrachtete sie. Direkt neben ihm stand ein Fernrohr. „Guten Morgen!“ grüßte Mariechen freundlich. „Danke für den Tipp!“ „Gern geschehen! Bist du das erste Mal hier?“ fragte die Möwe neugierig. „Ja, meine Schwester ist Sängerin hier auf dem Schiff und ich besuche sie.
Wie heißt das Land dort drüben?“ Mit ihrem Ärmchen deutete sie auf’s Ufer. „Das ist Panama. Ein sehr schönes Land. Hier gibt es viele verschiedene Tiere und Pflanzen. Panama gehört zu Mittelamerika. Das Land ist nur sehr schmal. Vielleicht hast du schon vom Panamakanal gehört. Er verbindet das karibische Meer mit dem Pazifik. Dadurch sparen sich die großen Schiffe die lange Reise um Südamerika herum.“ erklärte die Möwe. „Wow, du weißt aber gut Bescheid!“ sagte Mariechen bewundernd. „Und du siehst ganz anders aus, als die Möwen bei uns zu Hause.“ Die Möwe lachte. „Ja, wir sind zwar verwandt, aber jede Gattung musste sich an die Lebensumstände anpassen, an das Klima, das Nahrungsangebot. Die Natur ist faszinierend. Sie bringt eine so große Vielfalt hervor. Das macht die Welt doch so bunt und spannend.“ Ohja, das fand Mariechen auch. Deswegen wollte sie ja so viel wie möglich sehen. „Wie heißt du denn?“ Mariechen wusste ja noch gar nicht, wer ihr netter Gesprächspartner war. „Ich bin Pedro. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Ich bin Mariechen. Freut mich sehr, dich kennen zu lernen. Was kannst du mir denn empfehlen, was ich mir unbedingt anschauen soll?“ Mariechen hatte hier einen Panama Experten vor sich. Sie wollte sich einen wirklich guten Tipp geben lassen. „Wenn du Lust hast, dann hol ich dich später am Hafen ab. Hier gibt es indianische Stämme, die Ureinwohner von Panama. Sie leben völlig autonom. Sie verstehen uns Tiere noch und sind sehr freundliche und offene Menschen. Man kommt nur mit Booten zu ihnen. Da könntest du auch gleich viel von der üppigen Vegetation sehen und wir begegnen bestimmt auch viele Tiere. Was hältst du davon?“ Mariechen war begeistert. Das war besser als alles, was sie sich vorgestellt hatte. „Das wäre fantastisch!“ strahlte sie. „Abgemacht! Dann hol ich dich so in einer Stunde am Hafen ab.“ Damit schwang sich Pedro in die Höhe und flog davon.
Vergnügt machte sich Mariechen auf den Weg ins Frühstücks-Restaurant. Sie nahm den Aufzug, denn die „Schmeckbar“ befand sich direkt unter dem Wiesenrestaurant, also zwei Decks tiefer. Als sich die Aufzugtüren öffneten kam Leni gerade die Treppen hoch. „Guten Morgen! Na, hast du gut geschlafen?“ Leni umarmte ihre Schwester. „Traumhaft! Ich bin aber schon über ne Stunde wach und war oben auf dem Deck. Ich hab den Sonnenaufgang beobachtet und hab Pedro kennen gelernt und der will uns was von Panama zeigen.“ plapperte Mariechen los. Leni hakte sich grinsend bei Mariechen unter. „Das musst du mir alles gleich erzählen. Jetzt suchen wir erstmal Nathan und Costa. Die wollten uns nämlich einen Tisch für ́s Frühstück reservieren.“
In der Schmeckbar war einiges los. Die Gäste tummelten sich schon wieder am Buffet. An einem runden Tisch in der Ecke, an dem großen Fenster, saßen die beiden Frettchen und winkten fröhlich. „Da habt ihr aber den allerschönsten Platz ausgesucht!“ Mariechen klatschte vor Freude in die Händchen. Und dann gab es erst mal für die beiden ein Guten-Morgen-Bussi. „Habt ihr auch so gut geschlafen?“ fragte Mariechen. „Allerdings. Ich fühl mich putzmunter.“ Costa hatte schon einen großen Teller mit frischem Obst vor sich stehen und Nathan hatte sich Rühreier geholt. Auf dem Tisch standen vier Karaffen mit verschiedenen Säften. „Wir haben schon mal zugeschlagen“ sagte Nathan. „Holt euch doch auch was. Wir warten.“ Mmmmh, das sah auch wieder alles sehr lecker aus. Obwohl Mariechen eigentlich noch keinen Hunger hatte, machte ihr der Anblick doch Appetit. Es gab ganz viel verschiedenes frisches Obst, Beeren, Blätter, Müsli, Flocken, Eier, warme Teigwaren, Marmelade, Honig, Brötchen und Käse. Auch Mariechen holte sich einen großen Teller mit Ananas, Kokos, Papaya, Mango, Melone, Sternfrucht, Kiwi und Maracuja und eine kleine Schüssel Müsli. Die beiden Teller balancierend machte sie sich zurück auf den Weg zum Tisch. Leni hatte sich auch ein bisschen Obst geholt. „Bei den Säften musst du dich unbedingt durchprobieren. Die sind alle sehr lecker.“ Darauf goss Leni ihr von dem Sonnengelben in ein Glas. Mariechen nahm gleich einen Schluck. Er schmeckte nach Orangen und Aprikosen. „Also, was hast du heute morgen schon erlebt?“ wollte Leni wissen. Und schon plapperte Mariechen wieder los. Sie war so begeistert beim Erzählen, dass sie kaum was aß. Sie erzählte den anderen vom Sonnenaufgang, von den Delphinen und natürlich von Pedro und dem Ausflug, den sie machen wollten.